Donnerstag, 19. Februar 2015

ABSTIEG ODER FALL? DIE FRANZÖSISCHE MITTELSCHICHT - ZERSTÖRTE TRÄUME 1/3



Zehn Millionen Franzosen leben von monatlich 1.200 Euro in einem Einpersonenhaushalt beziehungsweise von monatlich 2.600 Euro in einer Familie mit zwei Kindern. Damit zählen sie zur unteren Mittelschicht, einem Stiefkind der Statistiken. Die untere Mittelschicht hat das Gefühl, niemanden zu interessieren und aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden zu sein. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich ihre Lage in Frankreich und in den anderen europäischen Ländern im Vergleich zu den übrigen demografischen Gruppen am stärksten verschlechtert.

Sieben Monate teilte Frédéric Brunnquell hautnah den Alltag von vier Familien der unteren Mittelschicht. Dabei erfuhr er von den Schwierigkeiten, die völlig unvermutet über diese Familien hereinbrachen. In seiner dreiteiligen Dokumentation versucht Brunnquell, die Krise von innen zu verstehen und deren einschneidende Folgen für die Gesellschaft zu ergründen.

In Lille muss der ehemalige Restaurantleiter Régis neuerdings als Kellner in einem Bierlokal arbeiten, sein Gehalt reicht für die Familie aber nicht aus. So kämpft sich seine Frau Jacqueline durch Formularstapel – denn ohne Bürokratie fließt keine Sozialhilfe. In Lyon verdient die Theaterregisseurin Gaëlle jetzt weniger als am Anfang ihrer Laufbahn, muss aber genauso viel arbeiten. Die alleinerziehende Mutter vermietet ein Zimmer ihrer Wohnung an Studenten. Dass das verboten ist, weiß sie, wie sie anders über die Runden kommen soll, nicht. In Nancy wurde das Gehalt des Harddiscounter-Managers Jean-Philippe plötzlich um 25 Prozent gekürzt. Auch Catherines Zeitungskiosk in Paris läuft immer schlechter, die Pressekrise fordert ihren Tribut. Sie fühlt sich von der Entwicklung überrollt und ihres Eigentums beraubt.

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